In diesem vorletzten Kapitel meines Buches lesen Sie unter vielem anderem:
Nur noch sechs Etappen mit 145 km geht es durch die letzte Region
vor Rom. Die freundliche Schwester in Bolsena mit ihrer Hand-Waschmaschine. Ein
Bischof bleibt beim guten Wein hängen. Mit den römischen Legionen, im Gleichschritt
Marsch! Heiße Thermen erfrischen nicht. Am zusammengebrochenen Palast des
Papstes. Stromausfall bei den Schwestern von Santa Rosa. Zuviel Wein in
Ronciglione. Die Grabhöhlen von Sutri. Der Pilgerweg auf der Autobahn. Kein
Mensch im Centro Parrocchiale und ein Nichtchrist beginnt ein wenig zu
verstehen. Am Santuario del Sorbo und bei den Pferden vor Formello. Die
Badewanne der Schwestern von La Storta. Eine Katze verabschiedet mich nach Rom.
Von der Hausnummer 14595 bis zur Hausnummer 210. Das Karussell der Gefühle auf
dem Monte Mario.
In San Lorenzo Nuovo, sehe ich zum ersten Mal den Lago di
Bolsena. Ein herrlicher See, wie er so vor mir in der gleißenden Sonne
liegt, fast kreisrund, 14 km lang, 12 km breit und 146 m tief, und der größte
der vulkanischen Seen Italiens, wie ich einer Hinweistafel entnehme.
Der schöne Weg hinter San Lorenzo Nuovo, oberhalb des Bolsena Sees
Die Basilika Santa Cristina e Giorgio birgt zwei
Wundergeschichten.
Bald gerate ich
auf ein langes Stück der Via Cassia antica. Und immer wieder kommen lange
Stücke, die sich hier kilometerweit durch Wälder und Felder und Dörfer hindurch
ziehen. Sie sind belegt mit großen Basaltsteinen und so stabil, dass es gar
nicht ungewöhnlich ist, dass die Bauern diese alte Straße auch mit ihren
landwirtschaftlichen Fahrzeugen befahren.
Da ich
lange genug darauf wandere, gerate ich zunehmend ins Marschieren. Ich meine in
Sechser Reihen mit den Legionen im Gleichschritt unterwegs zu sein, höre
Trompeten und Trommeln und Hörnerklang um mich herum und marschiere, was das
Zeug hält. So geht es fest und schnell voran und ich merke nicht, dass ich mich
dabei ganz schön strapaziere.
Ich komme zum
Monte Lugo, einem kleinen Hügel von 433 m Höhe, wo sich eine schöne
Wasserstelle befindet. Sie
ist in meinem Plan eingezeichnet. Ich denke nur noch eins: Mittagspause. Ein junger Mann
kommt mit seinem Moped vorbei. Auf meine Frage hin „È buona quest‘ Aqua, è potabile? Ist das
Wasser gut, ist es trinkbar?“, bestätigt er mir stolz, dass dies das beste
Wasser weit und breit sei und trinkt zur Bekräftigung mit vollen Zügen davon.
Und auch ich mache nun tüchtig davon Gebrauch und wechsle natürlich auch das
Wasser in meinen Flaschen aus.
Der Rest des gotischen
Papstpalastes von Viterbo. Da die schlanken Säulchen der Loggia das Gewicht
des Daches nicht zu tragen vermochten, stürzte schon bald deren Rückfront ein.
Bis heute steht nur die nachträglich gesicherte Schauseite, das fotogene
Wahrzeichen der Stadt. In diesem Palast fand auch das erste Konklave der
Kirchengeschichte statt.
Hier kommt mir ein
schöner weiter Strandplatz am Lago di Vico wie gerufen. Ich richte mich unter Haselnussbäumen
gemütlich ein. Es ist ein sehr schönes Plätzchen. Kein Mensch weit und breit.
Ich ziehe mich um und gehe in dem zumindest am Rand flachen Gewässer ein wenig
Baden.
Die Schwestern
in Sutri sind Klausurschwestern. Da geht alles durch ein Gitterfenster.
Der Pilgerpass
und das Tagebuch werden seitwärts in ein Drehfach gelegt. Schwupps ist es
weg und kommt nach einiger Zeit gestempelt zurück geschwuppst.Und welch wunderbare Vermehrung: Ein Glas mit Orangensaft steht dabei in dem Fach.
Danach sitze ich am Stadtrand auf einem Mäuerchen.
Unter mir liegen die Gräberhöhlen an der gegenüberliegenden Tuffsteinwand.
Dahinter geht die Sonne unter. Hinter mir läuten die Glocken von Sutri den
Sonntag aus. Ich sitze hier und mache mir Gedanken über den Tod und das
Sterben.
Und ich fühle mich sehr geborgen bei diesen Gedanken.
Ich könnte mir gut vorstellen, statt in der Pilgerherberge in einer dieser etruscischen Grabhöhlen auf einer steinernen Liegestatt der früheren Toten zu schlafen.Aber wahrscheinlich hätten das die Leute von Sutri gar nicht gerne.
Das Zimmer bei den Schwestern in La Storta ist
geräumig und das Badezimmer auch. Und alles ist blitzblank sauber. Meine Augen
quellen fast über, als ich im Badezimmer eine Badewanne sehe. Jetzt nur nicht
übermütig werden. Alles hübsch nacheinander. Erst
einmal lege ich mich hin und schlafe und lasse mich von meinem Handywecker eine
halbe Stunde später wecken. Dann wasche ich alle meine Wäsche, reinige alles,
was nur irgendwie gereinigt werden kann, fange dazwischen aus unerfindlichen
Gründen zu weinen an. Ich bemerke, was sich jetzt bei mir abspielt, fühle eine
starke Spannung. Morgen ist der große Tag des Ankommens.
Ich gehe das
kleine Sträßchen Via Mellini hinauf in den Park des Monte Mario, 145 m über der
Stadt Rom. Und da stehe ich
am 7. Juli 2010, um 8.20 Uhr, auf diesem Berglein, von früheren Pilgern auch "Mons Gaudii", genannt, Berg der Freude. Vor mir liegt die innere
Stadt Rom, etwas nach rechts die Mauern des Vatikans und die Kuppel des St.
Petersdomes im glänzenden Licht des Morgens. Der Anblick überwältigt mich. Ich kann meine Gefühle nicht in Zaum halten. Alles
dreht sich nur noch um diesen Augenblick. Freude über die Ankunft, Trauer über
das Ende meiner Reise, Stolz über das Erreichte, Dankbarkeit für die Wegführung
und Begleitung.
In meinem Buch "Zu Fuß nach Rom" können Sie mehr über die letzten Etappen und über meine Ankunft in Rom lesen.
Sie sind schon so viele Wege mit mir gegangen, da dürfen Sie sich jetzt auch auf meinen Tag in Rom freuen.